Videoexperiment in Düsseldorf : Ein Stummfilm, der Sehweisen verändert

Düsseldorf · Das Künstlerkollektiv Sarto&Keuter lud Düsseldorfer Persönlichkeiten zum fünfminütigen Schweigen vor der Kamera ein. Der entstandene Film könne durchaus eine Zumutung sein, sagen sie.

Gianni Sarto (l.) und Wolfgang Keuter haben einen Stummfilm der besonderen Art gedreht. Foto: Döring, Olaf (od)

Stummfilme sind seit dem Ende der 1920er Jahre out. Bis dahin war es technisch nicht möglich Bild und Sprache zeitgleich aufzuzeichnen und abzuspielen. Um aber die Stille in den Kinosälen zu durchbrechen, wurde häufig das Leinwandgeschehen mit Klaviermusik untermalt. Doch genau die Stille ist das, was Wolfgang Keuter und Gianni Sarto mit ihrem Video-Projekt „Düsseldorf im Augenblick“ erfahrbar machen wollen. Das Künstler-Kollektiv bat 21 Düsseldorfer für jeweils fünf schweigende Minuten vor die Kamera. Auf einem Stuhl sitzend blickten die Probanden wortlos ins Objektiv oder daran vorbei.

Interessant war, dass die meisten Aufnahmen mit geschlossenen Augen beginnen, ohne dass wir zuvor darum gebeten haben“, erläutert Sarto. „Spannend ist auch zu sehen, wie sich die Gesichter verändern und auch die eigene Wahrnehmung.“
Einige der 21 wurden zunehmend ruhig, andere überraschten sich selbst, weil sie dachten keine Minute ruhig sitzen bleiben zu können und sich dann wunderten, wie kurz fünf Minuten sind. Wieder anderen kamen die 360 Sekunden wie eine halbe Ewigkeit vor. Diese individuellen Geschichten und noch einige mehr sind auf den Gesichtern abzulesen. Und auch auf den Zuschauer hat der Film individuelle Wirkungen. Die Reaktionen schwanken zwischen Aussagen wie „Es wurde mir einmal mehr bewusst, dass Schweigen lediglich nichts Sagen ist. Alles andere darüber hinaus ist Spekulation“ bis „Stille ist gar keine Stille. Gedanken können unglaublich laut sein.“
Dass die Stille im Film etwas mit dem Publikum macht, erlebten Keuter und Sarto am eigenen Leib. „Bei den ersten ein, zwei Portraits interpretiert man in das Gesicht seine eigenen Vorurteile oder Vorstellungen hinein. Man denkt, der könnte aber auch mal wieder zum Friseur gehen“, erläutert Sarto. „Nach dem dritten Portrait ist das verschwunden. Man lässt sich darauf ein, zu sehen, was das Innere des Menschen ausmacht.“ Es sei spannend mit den eigenen Vorurteilen, die Menschen beim ersten Ansehen in Schubladen stecken, konfrontiert zu werden und zu schauen, aus welcher Schachtel die Menschen tatsächlich herausschauen.
„Dieses Experiment kann auch eine Zumutung sein für die Zuschauenden“, meint Keuter, „Denn Sehgewohnheit und Geduld werden möglicherweise auf eine harte Probe gestellt, was sich aber genau darum, lohnen kann“.
Dem Kollektiv Keuter&Sarto geht es darum, in einer Zeit, die von großer Unruhe erfüllt ist, gemeinsam das Innehalten, Schweigen und Schauen zu erleben, dabei auch zu entspannen und den erholsamen Sinn von Stille wieder bewusst zu machen. „Wir planen noch einige regelmäßige Experimente in dieser und ähnlicher Art und Weise, in Düsseldorf und Umgebung“, freut sich Sarto.

„Düsseldorf im Augenblick“ ist am 25. Oktober und 20. Dezember jeweils 19 Uhr im TheaterLabor TraumGesicht, Georg-Glock-Str. 15, Düsseldorf-Golzheim, info@theaterlabor.nrw, 0211 15 800 348 zu sehen.

Von Tino Hermanns